Der 29. April 2015 war für Prof. Dr. Angelika Wagner vom Zonta Club Aumühle-Sachsenwald ein Tag, den sie nicht vergessen wird: An diesem Tag überreichte Senatorin Katharina Fegebank im Hamburger Senat der Psychologin und Pädagogin das Bundesverdienstkreuz erster Klasse für ihr jahrzehntelanges Engagement für die Gleichstellung von Frauen.
Es war zugleich die erste öffentliche Amtshandlung der Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung. Sie betonte in ihrer Ansprache, dass sie selbst ohne die Verdienste von Prof. Angelika Wagner „heute nicht hier stehen würde“.
Gleichzeitig wurde die 1989 von Angelika Wagner gegründete und seither von ihr geleitete Arbeitsstelle „Expertinnen-Beratungsnetz/Mentoring“ an der Universität Hamburg mit der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes des Hamburger Senats ausgezeichnet. Die Ehrung gilt dem gesamten Projekt und insbesondere den über 100 ehrenamtlich tätigen Mentorinnen, die seit 25 Jahren über 7.000 Frauen in Situationen der beruflichen Weichenstellung (Einsteigen, Aufsteigen und Umsteigen) beraten haben. Das ehrenamtliche Engagement des Expertinnen-Beratungsnetzes ist, so betonte Senatorin Fegebank, „im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar“. Viele ehemalige Mentees sind inzwischen erfolgreich in Führungspositionen aufgestiegen. Die Arbeitsstelle Expertinnen-Beratungsnetz/Mentoring war Vorreiterin in der Entwicklung von Mentoring insbesondere – aber nicht nur – zur Förderung des beruflichen Aufstiegs von Frauen. Sie genießt bundesweit hohes Ansehen und hat sich laut Angelika Wagner als das universitäre Kompetenzzentrum für Mentoring etabliert, das in großem Umfang Forschung Praxis miteinander verbindet.
Der Weg dorthin war weit. Aufgewachsen in einem liberalen Elternhaus wurde Angelika Wagner früh vermittelt, dass sie als Mädchen genauso viel erreichen könne wie ein Junge. Später, Ende der Sechziger Jahre, engagierte sie sich als Doktorandin an der amerikanischen „University of Michigan“ in der beginnenden Frauenbewegung in den USA. Zurück in Deutschland wurde sie in Reutlingen 1971 die wohl jüngste Professorin Deutschlands. Eine echte Frauenbewegung war da noch nicht in Sicht. Angelika Wagner importierte als Erste die Idee von Frauengesprächsgruppen (consciousness groups) aus den USA nach Deutschland. Das waren kleine, selbstorganisierte, unideologische Gruppen von Frauen, die sich einmal pro Woche trafen und über ihre Erfahrungen sprachen. Sie entwickelte eine Anleitung für die Gründung und Durchführung solcher Frauengesprächsgruppen, die 1974 in der Zeitschrift „Brigitte“ veröffentlicht wurde (Heft Nr. 4, S. 88-92). Die Idee der Gesprächsgruppen verbreitete sich rasant. Schätzungsweise etwa 10.000 Frauengruppen entstanden damals. Der Haupteffekt lag darin, dass viele Frauen entdeckten, dass das, was sie für ihr persönliches Problem hielten, ein gemeinsames Problem von Frauen war. Diese Erkenntnisse trugen wesentlich dazu bei, dass sich auf breiter Basis die neue deutsche Frauenbewegung bildete.
1974 gründete Angelika Wagner das erste Frauenzentrum in Reutlingen. Sie war in ihrem Schaffensdrang für die Gleichstellung der Frauen längst nicht mehr aufzuhalten. „Die Zeit war reif dafür, die USA waren uns um einige Jahre voraus“, erklärt sie uns in unserem Gespräch und ergänzt: „Alice Schwarzer war damals nicht die Einzige.“ Angelika Wagners Engagement sei jedoch nie ideologisch getrieben gewesen, die Extrempositionen der Feministinnen habe sie nie bezogen. Sie war mit ihrer Arbeit mehrfach Pionierin in Deutschland und Teil der lebendigen Frauenbewegung mit all ihren Höhen und Tiefen. So entwickelte sie 1976 das erste Selbstbehauptungstraining für Frauen in der Bundesrepublik, sie war erste Vorsitzende und Mitbegründerin des ersten Frauenhauses in Baden-Württemberg, das 1978 in Reutlingen entstand, sie war Mitbegründerin der parteiübergreifenden „Freien Frauenliste“, für die sie 1984 als Stadträtin in den Reutlinger Gemeinderat gewählt wurde – und sie engagierte sich in der Frauenforschung. Nachdem sie 1985 als Professorin (C4) an die Universität Hamburg berufen worden war, wurde sie 1988 – damals als zweite Frau überhaupt – Vizepräsidentin der Universität Hamburg und war seitdem in vielen Gremien die erste oder eine von wenigen Frauen.
Die Erfahrungen, die sie dabei gemacht hat, haben sie dazu bewogen, vor sieben Jahren UNICA zu begründen: ein spezielles Berufseinstiegs-Mentoringprogramm an der Universität Hamburg für Studentinnen und Doktorandinnen als weibliche Nachwuchsführungskräfte in Wissenschaft und Wirtschaft. Seit nunmehr vier Jahrzehnten setzt sich Angelika Wagner für die Stärkung, das Sichtbarmachen und die Chancengleichheit von Frauen ein. Eine Pionierin für Frauen, die am 29. April 2015 mit besonderem Stolz auf ihre bisherige erfolgreiche Arbeit zurückblicken konnte.
Angelika Wagner ist bereits seit fünf Jahren emeritiert, trotzdem ist sie immer noch sehr aktiv. Neben der Arbeitsstelle leitet sie seit 30 Jahren die von ihr gegründete Forschungsgruppe zur Auflösung innerer Konflikte durch „Introvision“ an der Universität Hamburg. Diese Forschungsgruppe befasst sich empirisch und praktisch mit der Entwicklung und Untersuchung der Introvision in unterschiedlichen Anwendungsfeldern wie Leistungssport, Führungskräftetraining oder Lernen in der Schule und bietet dazu auch Einführungs-Workshops sowie Weiterbildungskurse an (introvision @uni-hamburg.de). Introvision ist eine Form des Selbstcoachings, die Angelika Wagner selbst über Jahrzehnte entwickelt und in Zusammenarbeit mit vielen anderen empirisch getestet hat. Diese Arbeit ist eine wunderbare Ergänzung zu ihrem zweiten Forschungsschwerpunkt, dem Mentoring.
Auch für die Mitglieder des ZONTA Clubs Aumühle-Sachsenwald e.V. ist Angelika Wagner ein anspornendes Vorbild dafür, dass ein Engagement mit Leidenschaft, viel Arbeit und trotz immer wiederkehrender Rückschläge hartnäckig verfolgt, am Ende nur ein Ziel kennt: Erfolg. Ohne Mitstreiter, ohne Gemeinschaft, ohne ihr Team in der Arbeitsstelle wäre das nicht gelungen. Und hier schließt sich der Kreis zu ihrem Engagement im ZONTA Club: Mit einem Netzwerk von Frauen, lokal, national und international kann man viel für Frauen tun, die dringend Unterstützung brauchen. Wir sind stolz auf unser ZONTA-Mitglied und gratulieren ihr von Herzen.