ZC Bodensee-Allgäu: Frauen machen Tabu-Thema öffentlich

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Frauen machen Tabu-Thema öffentlich

Der Arbeitskreis Frauen Bodenseekreis hat sich am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen mit der Aktion "Das rote Sofa" der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei Interviews in der
Fußgängerzone stand häusliche Gewalt im Fokus.

1000 Euro und viele Bücher spendet der Zonta-Club Bodensee-Allgäu dem Beschützenden Haus der Arbeiterwohlfahrt (von links): Brigitte Sander und Daniela Hennes (beide Zonta-Club), Kathrin Stumpf (Geschäftsführerin AWO-Kreisverband) und Veronika Wäscher-Göggerle (Frauen- und
Familienbeauftrage des Bodenseekreises). Bild: Blaser

Friedrichshafen Mit der Aktion "Das rote Sofa" hat sich der Arbeitskreis Frauen Bodenseekreis am Freitag, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Arbeitskreis engagierte Frauen, zum Beispiel Mitarbeiterinnen des "Beschützenden Hauses Bodenseekreis" der Arbeiterwohlfahrt (AWO), befragten auf einem Sofa in der Innenstadt Vertreterinnen verschiedener Berufe, wie eine Polizistin und eine Rechtsanwältin, aber auch eine alleinerziehende Mutter und eine Migrantin zum Thema des Tages.

Bundesweit suchen laut Veronika Wäscher-Göggerle, Frauen- und Familienbeauftragte des
Bodenseekreises, jährlich 45 000 Frauen und Kinder Schutz in einem Frauenhaus. Vor rund zwei Jahren hat der Kreistag die Einrichtung eines solchen Hauses für den Bodenseekreis beschlossen. "Beinahe täglich stirbt in Deutschland eine Frau in der Folge von Gewalt durch ihren Partner", erklärte sie weiter. Eine von vier Frauen zwischen 14 und 60 Jahren wird Wäscher-Göggerle zufolge Opfer von häuslicher Gewalt. Aussagen wie diese ließen etliche Marktbesucher aufhorchen. Fast täglich sind die Beamten im östlichen Bodenseekreis mit häuslicher Gewalt befasst, wie die Polizeibeamtin Tanja Schöllhorn im Interview schilderte. Veronika Wäscher-Göggerle wies im Gespräch mit Befragten und Besuchern darauf hin, dass häusliche Gewalt quer durch alle Religionen und sozialen Schichten zu finden sei. Die Behauptung, dass im Frauenhaus vor allem Frauen aus anderen Herkunftsländern Schutz suchen würden, sei falsch: "50 Prozent der Bewohnerinnen stammen aus Deutschland", sagte sie.

Weiteren Aufklärungsbedarf sieht die Frauen- und Familienbeauftragte in den verschiedenen Formen von Gewalt: "Natürlich ist die körperliche Gewalt dominant. Aber es gibt auch subtilere Arten wie psychische und kontrollausübende Gewalt. Wir hatten schon Fälle von Essensentzug, Einsperren oder auch strikte Kontrolle über das Geld." Dass viele Frauen dennoch lange zögern, sich aus ihrer Lage heraushelfen zu lassen, weiß Gabriele Löffler von der Beratungsstelle für Frauen in Not und Trennungssituationen: "Vielen fehlt einfach die Kraft und natürlich ist fast immer ein sozialer und finanzieller Abstieg mit einer Trennung verbunden." Doch die Mitarbeiterin der Stadt machte Mut: "Es gibt immer einen Weg."

Die Frauen, die ihren (Aus-)Weg gefunden und den Schritt in das "Beschützende Haus" gewagt haben, möchten die Mitglieder des Zonta Clubs Bodensee-Allgäu unterstützen. Am gestrigen Aktionstag überreichten sie Kathrin Stumpf, Geschäftführerin des AWO-Kreisverbandes, einen Scheck in Höhe von 1000 Euro. Mit dem Geld sollen beispielsweise Kurse in Selbstverteidigung finanziert werden. Außerdem brachten die Zonta-Frauen um Präsidentin Daniela Hennes drei Umzugskartons voller Bücher mit. "Viele Frauen, die bei uns ankommen, konnten lange kein Buch mehr lesen - weil ihr Mann sie nicht gelassen hat oder einfach die Zeit fehlte. Es ist schön zu beobachten, wie sie das Lesen wieder genießen können", sagte Emmy Megler, Leiterin des "Beschützenden Hauses".

Aktion "Das rote Sofa": Veronika Wäscher-Göggerle (links) befragt die Polizistin Tanja Schöllhorn zu ihren beruflichen Erfahrungen mit häuslicher Gewalt. Bild: Bömelburg

Ann-Kathrin Blaser und Christina Bömelburg