Robert Rules - Regeln für die Convention von Annette Binder

Erstellt von [node:author:field-mitgliederprofil]

"Robert's Rules" oder "Wie erhalten Zontians auf Conventions das Wort?"
Einleitung

Die parlamentarisch angewandten Regeln von Zonta International richten sich nach dem US-Parlamentsrecht. Da die europäischen Länder andere Regeln anwenden, stellt es für Zontians aus Europa eine gewisse Herausforderung dar, sich mit den "Robert's Rules" vertraut zu machen und sie zu praktizieren, damit auch sie auf Conventions ausreichend zu Worte kommen. Hierzu möge die nachfolgende Zusammenstellung einen Beitrag leisten.


Bedeutung

Die Robert's Rules (RRs) gehen zurück auf die Regeln der frühen englischen Parlamente und kamen mit den ersten Siedlern nach Amerika. 1876 veröffentlichte Henry Robert sein Handbuch des Parlamentsrechts mit Verfahrensregeln für öffentliche Zusammenkünfte der Siedler, die aus einer Vielzahl von Ländern stammten und auf Zusammenarbeit beim Siedlungsbau angewiesen waren. Zonta International und andere Organisationen, die aus den USA stammen, wenden heute die "Robert's Rules of Order Newly revised, 11th Edition" von 2011 an. Worum geht es dabei?


Die RRs sollen demokratisch ablaufende Verfahren gewährleisten, die Rechte der Delegierten wahren, Flexibilität erlauben und jedem das Recht auf Anhörung geben, nach den folgenden Prinzipien:


" Gerechtigkeit und Fairness für alle


" Behandlung nur eines Punktes zur Zeit


" Anhörungsrecht der Minderheit


" Entscheidungsrecht der Mehrheit.


Mit den RRs werden die Delegierten am Entscheidungsprozeß beteiligt. Zwar dürfen Zonta Distrikte und Clubs für ihre eigene Arbeit ein anerkanntes parlamentarisches Verfahren ihres Landes benutzen, sofern die oben genannten Grundsätze gelten. In der Regel befolgen die Distrikte jedoch RRs, vor allem die international zusammengesetzten, wie die europäischen Distrikte. Das macht auch Sinn im Hinblick auf ein gutes "Vorabtraining" für die Convention. Denn das Debattieren von Satzungsänderungen kann sehr anstrengend sein - sowohl aus sprachlichen Gründen und erst recht, wenn man mit den RRs wenig vertraut ist. Bevor wir zu den RRs kommen, hier noch einige grundsätzliche Informationen:


Mitsprache - Rechte und Pflichten der Zonta Clubs

Zonta ist so organisiert, dass die Basis - in diesem Falle die Clubs - starke demokratische Rechte hat. In der Praxis heißt dies, dass die vom Club gewählten Delegierten den Club direkt auf allen Ebenen vertreten. Die Geschäftstreffen dieser Ebenen sind: Area Meeting, District Conference und Convention. Bei Abstimmungen und Wahlen nehmen die Clubs dort direkten Einfluss - im Gegensatz zu anderen Service Organisationen, deren selbstständige Untereinheiten in "Holdings" organisiert sind. Diese repräsentieren Gruppen von Clubs, so dass Clubs nur indirekt Einfluss ausüben können. Zonta Clubs sind hingegen integraler Bestandteil der Organisation und üben auf den Geschäftstreffen ihren Willen direkt aus.


Beispiele:


" Die Clubs können eigene Anliegen als Vorschläge einbringen, z.B. über Beschlüsse ihrer Distriktkonferenz Einflussnehmen auf die internationale Satzung.


" Die Clubs können auch die Tagesordnung mit eigenen Themen ergänzen, wenn die Area Director, District Governor oder Internationale Präsidentin gleich zu Beginn der Treffen fragt, ob noch Ergänzungen für die Agenda vorliegen.


" Die Clubs wählen die Amtsträgerinnen auf Area Meetings, Distriktkonferenzen und Conventions nach eigenem Urteil aus.


" Die Clubs nehmen aktiv an den Diskussionen und Entscheidungen teil.


Damit die Clubs diese Rechte wahrnehmen können, müssen sie sich verpflichtet fühlen, an den Treffen auch teilzunehmen und den Regeln zu folgen. Wenn Clubs nicht erscheinen können, gelten die Regeln zur Proxy-Vergabe. Für den Ablauf der Debatte greifen die Robert's Rules, die wir im Folgenden näher kennenlernen wollen. Zunächst möchte ich Ihnen jedoch einige wichtige Begriffe erläutern:


"Bylaws, Rules of Procedure, Resolutions, Policies" - das Regelwerk

" "Bylaws" (Satzung) stellen die Verfassung unserer Organisation dar. Es gibt sie für Clubs und auf internationaler Ebene.


" Distrikte und Areas werden mit "Rules of Procedure" geregelt (Geschäftsordnung, die den Geschäftsablauf im Rahmen der Bylaws und Policies beschreibt).


" Eine "Resolution" ist ein Beschluss zu einer Meinungsäußerung, einer bestimmten Politik oder eines Verfahrens von ZI.


" Operative Policies werden vom ZI Board nach Bedarf entwickelt und finden Eingang in die entsprechenden Manuals.


"Pro-/Con-/Procedure Mic" - verschiedene Mikrophone

Das Benutzen der Pro- und Kontra-Mikrophone signalisiert, ob Sie für oder gegen einen Antrag sprechen werden. Das dritte Mikrophon ist das "procedure microphone" (Verfahrensmikrophon), das Sie wählen, wenn Sie einen Antrag zum parlamentarischen Verfahren stellen wollen.


"Limited time to speak" - begrenzte Redezeit

Die Redezeit wird zu Beginn in den "Convention Standing Rules" festgelegt und von den Delegierten genehmigt, ist dann also z.B. auf 10 Minuten für ein Thema begrenzt. Während einer Diskussion kann eine Delegierte jedoch mehr Zeit zum Reden beantragen. Dieses ist ein sehr wichtiges Mittel, die Diskussion zu verlängern, wenn man noch zu Wort kommen möchte.


"Abstentions" - Enthaltungen

Enthaltungen bei einer ZI Convention werden nicht mitgezählt, weil sie für das Wahlergebnis nicht relevant sind. Das ist gerade entgegengesetzt zur Zählmethode in europäischen Ländern, wo Enthaltungen als Meinungsäußerung gelten.


"Quorum" - das Quorum

ist der Prozentsatz von Mitgliedern, die anwesend sein müssen, damit die Sitzung rechtmäßig vonstatten geht. In den ZI Bylaws heißt es dazu: "Eine Mehrheit der wahlberechtigten Mitglieder und Proxies soll bei einer Versammlung ein Quorum bilden - das heißt also die Hälfte plus 1.


"Majority, Plurality, 2/3 Vote" - Stimmenmehrheiten

" Eine Majority Vote ist die Mehrheit beim Abstimmen.


" Eine Plurality Vote (einfache Mehrheit) ist die größte Anzahl von Stimmen, die ein Kandidat oder ein Vorschlag bekommt, wenn davon 3 oder mehr vorhanden sind. Eine Plurality, die nicht eine Mehrheit darstellt, kann jedoch nicht die Wahl bzw. Abstimmung entscheiden. Man braucht dann einen weiteren Wahlgang, um Majority zu erreichen.


" Die 2/3 Vote ist z.B. bei Änderungen der Mitgliedsgebühren oder der Satzung erforderlich.


Das Antragstellen

Am Ende dieser Ausführungen finden Sie eine pragmatische Kurzfassung "Robert's Rules auf einen Blick" zum Mitnehmen in die Geschäftssitzungen der Convention. Die Tabelle bietet Ihnen die häufiger gestellten Motions im Überblick, was Sie sagen müssen, welcher Beschluss dafür nötig ist und wie Sie vorgehen.


A) "Motions" - Anträge

Die Robert's Rules sehen Anträge verschiedener Dringlichkeit, Arten und Zwecke vor. Ihre Unterschiedlichkeit drückt sich in folgenden Fragen aus:


Darf man den Sprecher unterbrechen? Braucht man einen Unterstützer (Seconder)? Ist die Motion zu debattieren? Kann sie geändert werden? Welche Mehrheit braucht man dazu? Kann die Motion wieder aufgenommen werden? Das erscheint uns alles recht kompliziert. Wir können hier nur einen Einblick nehmen, um zu einem Grundverständnis für die pragmatische Anwendung dieser Regeln zu kommen. Unser Ziel muss es sein, auf Conventions zu Worte zu kommen und die Abstimmungen mitzugestalten.


Deshalb lassen Sie uns im Folgenden auf die verschiedenen Antragsformen näher eingehen:


" Main Motion - der Hauptantrag bringt eine neue Angelegenheit vor die Versammlung und kann nur gestellt werden, wenn kein anderer Antrag mehr anhängig ist. Er wird immer hinter die folgenden Anträge zurückgestellt.


Beispiel: "I move that we purchase... - ich beantrage, daß wir ... kaufen".


" Subsidiary Motion - der Unterantrag verändert oder beeinflusst, wie der Hauptantrag behandelt wird.


Beispiel: "I move to amend the motion by striking out... - ich beantrage, im Antrag ... auszustreichen" oder "I move to limit (or extend) limits of debate - die Debattierzeit begrenzen (oder ausweiten)".


" Privileged Motion ein bevorrechtigter Antrag bezieht sich nicht auf den anhängigen Antrag sondern auf die Rechte der Mitglieder.


Beispiel: "I move to raise a question of privilege" - z.B. sich über Hitze oder Lärm zu beklagen (bzw. zu kalt eingestellter Klimaanlage...).


" Incidential Motion - ein Nebenantrag bezieht sich auf eine Verfahrensangelegenheit und muß sofort entschieden werden, bevor die Debatte weitergehen kann.


Beispiel: "I rise to a point of order" - gegen einen Regelverstoß protestieren. 


" Anträge, die eine Frage nochmals vor die Versammlung bringen - um sie zu überdenken bzw. neu zu erwägen.


Beispiel: "I move to reconsider... - ich beantrage, ...wieder aufzunehmen".


Wichtig: Es gibt 2 häufig gestellte Anträge, die Sie kennen sollten, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden:


- "I move to extend limits of debate" Sie stehen in der Reihe und möchten noch reden, befürchten jedoch, dass die Redezeit überschritten wird und sie nicht mehr drankommen könnten. Dann sollten Sie vorher jemanden beauftragt haben, am Procedure Mic zu stehen und eine Redezeitverlängerung zu beantragen.


- "I move the previous question" Sie stehen in der Reihe, möchten reden und jemand vor Ihnen stellt den Antrag, die Debatte zu beenden.


In beiden Fällen muß zwar ein 2/3 Beschluß erreicht werden, es kam jedoch in der Vergangenheit vor, dass nicht mit den RRs vertraute Delegierte frustriert zurückblieben.


B. Vorgehen beim Antragstellen

1) Das Wort erhalten - "Obtain the floor"


Gehen Sie an das richtige Mikrophon und warten Sie, bis die Präsidentin Sie aufruft mit den Worten "I see microphone XY" ("ich sehe Mikrophon XY").


2) Den Antrag vorbringen - "Make your motion"


Nennen Sie zunächst Ihren Namen und den Namen Ihres Clubs. "Madam President, I am XXXX of ZC YYY. I move that..." ("Ich beantrage...").


Den Antrag bejahend vorbringen, nicht: "I move that we do not"... Sprechen Sie klar, deutlich, knapp und ohne persönliche Angriffe.


3) Den Vorschlag unterstützen - "Second the motion"


Wenn Sie sich zu Worte melden wollen, um z.B. den Hauptantrag zu ergänzen, benötigen Sie eine Delegierte, die Ihren Antrag unterstützt (sekundiert). Eine "Seconder" signalisiert nicht nur eigenes Interesse sondern zeigt auch, dass es noch andere Delegierte gibt, die den Antrag debattiert sehen wollen. So wird verhindert, Zeit auf eine Frage zu verwenden, die nur eine Person interessiert. Eine Seconder wird z.B. benötigt bei Änderungen der Satzung oder der Tagesordnung.


Die Seconder nennt ihren Namen und den Namen ihres Clubs und sagt: "I second the motion - ich unterstütze den Antrag" mehr nicht.


Sie bitten eine der Monitore (Tagungsassistentinnen) um ein Antragsformular, damit Ihr Vorschlag - in englischer Sprache - schriftlich der Präsidentin zugeleitet werden kann.


4) Den Antrag annehmen - "Chair states your motion"


Die Präsidentin wiederholt Ihren Antrag mit den Worten "It is moved and seconded that we...". Ihr Antrag ist nun Eigentum der Versammlung und kann ohne Zustimmung der Delegierten nicht verändert werden. Daraufhin kann die Debatte oder Abstimmung beginnen. 5


5) Den Antrag erweitern - "Expand on your motion"


Sollten Sie Ihren Antrag ergänzen wollen, dürfen Sie als Erste sprechen, da Sie den Antrag gestellt haben. Beachten Sie die Redezeit. Sie dürfen zum zweiten Mal sprechen, wenn alle anderen Sprecher gesprochen haben. Sie dürfen ein drittes Mal sprechen nach einem Antrag zur Aussetzung der Regeln, was allerdings eine 2/3 Mehrheit erfordert.


6) Über den Antrag abstimmen - "The chair puts the question"


Nach der Diskussion stellt die Präsidentin die folgende Frage, um alle auf die Abstimmung vorzubereiten: "Are you ready for the question ? - Sind Sie bereit zur Abstimmung ?" oder weniger formal "Is there any debate? Gibt es noch Wortmeldungen?"


Wenn es keine Wortmeldungen mehr gibt oder ein Antrag auf Beendigung der Debatte angenommen wurde, kann abgestimmt werden. Die Abstimmung erfolgt mit der elektronischen Maschine. Daraufhin teilt die Präsidentin das Ergebnis mit den Worten mit "The ayes have it" oder "the no's have it" - "die Ja-Stimmen überwiegen bzw. die Nein-Stimmen überwiegen". Viel Erfolg!


Hamburg, im April 2012


Annette Binder
District 27 Parliamentarian 2010-2012
International Director 2004-2006